Mein Neuer Wander-Blog
Perlen in the Middle of nowhere
Bei meinem persönlichen Bummel durch Deutschland entdecke ich immer wieder diese für mich kostbaren „Naturperlen in the Middle of Nowhere“, die mir einen heiteren und befriedigen Zauber gewähren. Heute hat mich die Ortschaft Bad Bederkesa fasziniert.
Kanuwandern – wie alt bin ich?
Das Leben ist zum Leben da, es ist alles, was wir haben. Also vergeuden wir keine Zeit. Neben den Wanderausrüstungsherstellern gehören zweifelsohne auch Kajak- und Kanu-Verleiher zu den Gewinnern der Coronakrise. Also, warum nicht einmal Wandern auf dem Wasser in einem Canadier-Kanu?
Besenheide – meine Pflanze des Jahres
Für mich persönlich ist die Besenheide die Pflanze des Jahres 2022. Denn sie lässt sich einfach nicht unterkriegen. Von Herbststürmen gepeitscht, Schnee und Frost kann ihr genauso wenig anhaben, wie Trockenheit und Sahara-Hitze. Die Besenheide blüht Jahr für Jahr wieder auf, denn die Natur ist stark, sie passt sich an.
Siehe da! Die Heide blüht trotze Hitzewelle
Der beachtenswerte und vielfach von Wander-Liebhabern ausgezeichnete, ich vermeide an dieser Stelle das inflationäre Wort „Experten“, Heidschnuckenweg feiert in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag. Ein guter Grund, nur ein kleines Stück der 223 Kilometer zwischen Hamburg-Fischbeck und der Kreisstadt Celle zu bewandern.
Und siehe da, nach den vielen apokalyptischen Klima- und Hitzemeldungen in den Medien und Nachrichten, die stolze Besenheide opponiert meinen Vorstellungen, in denen ich durch eine verdorrte und vertrocknete Marslandschaft spazieren würde. Die Heide blüht in voller Pracht, in Fischbeck, im Büsenbachtal und am Brunsberg und ganz sicher auch an vielen anderen Stellen in Norddeutschland.
Die Heidefläche vor mir ist der Lear der überlebenden Natur. Und anders als der König in der Tragödie von William Shakespeare trotzt das wilde Kraut allen Naturgewalten. Von Herbststürmen gepeitscht, Schnee und Frost kann ihr genauso wenig anhaben, wie Trockenheit und Sahara-Hitze. Die Besenheide blüht Jahr für Jahr wieder auf, denn die Natur ist stark, sie passt sich an.
„Ist das nicht herrlich schön?“, spricht mich eine Wanderin an, die von diesem Schauspiel der Blüten aus zahlreichen rosa und roten Tönen überwältigt ist. Die Heidetouristin will genau wie ich hier nicht den Code des Lebens entschlüsseln. Sie will für ein paar Stunden vom Alltag, von den Ängsten und schon beschriebenen apokalyptischen Zukunftsszenarien mancher Politiker und auch Politikerinnen und Heerscharen von „Experten“ abschalten. Einfach runterkommen, Kraft tanken. Losgehen und eins mit sich selbst werden, seinen Wandergedanken freien Lauf lassen…
Mal keine ewig gleich besetzten TV-Talkshows, in denen Politiker mit Politikern nur noch Politikfloskeln austauschen. Keine Toleranz-Mimosen, die mich ständig auf allen digital zur Verfügung stehenden Kanälen belehren wollen, was ich noch darf und nicht mehr sagen darf. Hier ist einfach Heide, die behaglich bis zum Horizont erblüht. Unterbrochen nur von einigen Sandwegen, Birken, Wacholder und Eichen und manchmal ein kleiner Hügel oder eine Schlucht bis sie sich am Horizont mit dem Himmel vermischt und dem Auge verloren geht.
Für mich persönlich ist die Besenheide die Pflanze des Jahres 2022. Denn sie lässt sich einfach nicht unterkriegen.
KANUWANDERN AUF DER GOSE- UND DOVE-ELBE
Mensch bin ich alt – Je T'aime statt LAYLA
Das Leben ist zum Leben da, es ist alles, was wir haben. Also vergeuden wir keine Zeit. Neben den Wanderausrüstungsherstellern gehören zweifelsohne auch Kajak- und Kanu-Verleiher zu den Gewinnern der Coronakrise. Also, warum nicht einmal Wandern auf dem Wasser in einem Canadier-Kanu?
In meinem Lebensabschnitt so kurz vor der Rente bin ich in einer Phase meines Lebens eingetreten, wo ich mich frage, wie viel Zeit mir noch bleibt?
Nicht mehr lange, wenn ich auf meinen Körper höre, der beim paddeln zahlreiche Muskeln beansprucht, die ich wahrscheinlich seit über 30 Jahren (meine letzte Paddeltour als sogenanntes „Teambuilding-Event“) nicht mehr beansprucht habe. Ich bin kein „Hüter der Erinnerungen“, zumal man im Alter sich nur noch an die schönen Dinge im Leben besinnt. Aber ich gehöre noch zur Generation „Opa erzählt vom Krieg“ und bin doch sehr erstaunt, wenn ich aktuell aus grünem Regierungsmund hören muss: „Hoffentlich wird Deutschland nicht kriegsmüde“. Ehrlich, ich bin mein Leben lang schon kriegsmüde.
Alles im Fluss – mittendrin im Paddelrhythmus mit meinem Kumpel Andreas. So zwischen blühenden Seerosen, gigantischen Trauerweiden am Ufer, staunenden Haubentauchern und majestätischen Fischreihern, die im wiegenden Schilf auf ihre morgendliche Beute warten, kann ich meinen „Wasserwandergedanken“ freien Lauf lassen. Was bewegt mich?
Ich bin nicht der Titan Atlas aus der griechischen Mythologie, der die gesamte Last der Erde auf seinem Rücken trägt. Auch wenn ich nach nur einer Stunde Paddeltour mir sicher ähnlich anstrengende Gesichtszüge und lautes Stöhnen entgleiten. Meine Gedanken schweifen zurück in meine Jugend, als so eine Tour wie heute auf der Gose- und Dove-Elbe, für mich noch keine Tortur war.
Früher war auch nicht alles besser in Sachen Umwelt und Klima. Immer wenn ich kleine Kinder am Hamburger Stadtstrand, dem Falkensteiner Ufer, fröhlich in der Elbe baden sehe und daneben ihre strahlende Eltern, erinnere ich mich an meine Kindheit. Damals durfte kein Kind in der Elbe baden, ich wäre wohl mit verätzter Haut aus dem Fluss gestiegen. Damals sagten wir: „In der Elbe kann man Farbfilme entwickelt“ und da heute in der digital dominierten Welt, keiner mehr weiß, was ein Farbfilm ist: Damit haben wir früher Fotos gemacht, keine Selfies und für die Entwicklung der Filme brauchte es nicht nur viel Zeit und Geduld, sondern auch jede Menge Chemie. Und davon hatte die Elbe in meiner Jugend noch reichlich. Ich erinnere mich an Elb-Angler, die mir Fische mit blumenkohlartigen Geschwüren am Kopf gezeigt haben. Vielleicht kommt daher meine innere Abneigung gegen Fisch?
Ich bin ein Hamburger Jung, genauer gesagt ein waschechter Harburger. Also in der Großstadt aufgewachsen. Heute haben hier viel zu viele Menschen vergessen, wie man richtig läuft. Sie starren nur noch auf ihr Handy und sie sind es gar nicht mehr gewohnt, richtig zu gehen und die Stadt und ihr Umfeld wahrzunehmen. Mein Handy halte ich beim Telefonieren noch ans Ohr und nicht waagerecht vor dem Gesicht auf Lautsprecher gestellt, das in 50 Meter Umkreis jeder mithören muss. Früher haben sich zwei Leute auf der Straße, die aufeinander zugegangen sind, zur Seite bewegt, um aneinander vorbeizukommen. Heute ist das nicht mehr so, da frage ich mich, wie haben die das bisher überlebt?
Die Winnetou-Filme haben mich in der Jugend begeistert und auf dieser idyllischen Paddeltour fällt mir eine Szene aus Winnetou I ein. Old Shatterhand kämpft mit einer Kanufahrt gegen Intschu-Tschuna, den Vater Winnetous, um das Leben und den Tod seiner Freunde. Wir kämpfen inzwischen gegen den auffrischenden Wind an, der unser kleines Kanu an das Ufer treiben lässt. Kino und Theater haben mich in der Jugend begeistert. Denn ich bin noch ins Theater gegangen, um großartige, virtuose Schauspieler zu sehen, die mir etwas vorspielten und nicht wie heute Projekte und politische Empfindlichkeiten eines Ensembles zu erleben.
Wir leben in einer Welt, wo nicht mehr das Kunstwerk, die Musik oder die bildende Kultur wegen ihrer Inhalte begeistert abgefeiert wird, sondern wir applaudieren nur noch für die Anzahl der Klicks im Netz. Für mich bedeutet das, nicht die Qualität ist für die Menschen mehr entscheidend, sondern die Quantität.
Was mich noch nervt, ist das typisch Deutsche-180-Grad-Pendel. Wir haben nur noch die Chance, sich für Schwarz oder Weiß zu entscheiden. Nie mehr für Grau, denn anders als im wirklichen Leben, kommt das Pendel nicht mehr zur Ruhe. Wir entscheiden also zwischen „Was du da von dir gibst, ist schlecht, du musst sterben!“ Und was du sagst, ist unwidersprochen das Beste, was ich je gehört oder gelesen habe.“ Es scheint in der Natur von uns Menschen zu liegen, für alles einen Sündenbock zu suchen.
Für unseren neuen Kanu-Zickzack-Kurs habe ich meinen persönlichen Sündenbock gefunden. Mein Vordermann paddelt wie ein Sklave (darf ich das so noch sagen?) auf einer römischen Galeere. Er hat aber kein Rhythmusfeeling, das muss ich als alter, ehemaliger Schlagzeuger immer wieder ausgleichen.
Im großen Vergleich Kindheit – heute, freue ich mich, dass einiges sicher bald eine Renaissance, eine Wiedergeburt erleben wird. Zum Beispiel die in leuchtend Orange warnenden Aufkleber auf Mülltonnen: „Keine heiße Asche einfüllen“. Wenn wir bald alle wieder mit Kohle und Briketts heizen werden und die neue Gender-Generation Kohle aus dem Keller in den 4. Stock hochschleppen muss, damit es warm wird. Auch der Ausruf von Kindern: “Mutter, der Mann mit dem Koks ist da!“ bekommt eine neue Bedeutung. Kohle und Kohlekraftwerke sind also wieder hip, selbst bei den grünen Lastenfahrrad-Fans. Vielleicht erleben der Ruhrpott und die Zeche „Nordstern“ in Gelsenkirchen eine Auferstehung. „Glück auf Kumpels!“.
Und noch etwas kommt hoffentlich durch Energiekrise zurück: Fußballspiele in der Bundesliga ohne Flutlicht und ohne energiefressende Rasenheizung. Im Winter auf Schnee spielen mit dem guten alten roten Lederball für die TV-Zuschauer.
Ja, auch die öffentliche „Musikpolizei“ gab es schon in meiner Jugend. Damals mit „Je t’aime“ statt Ballermann-Layla. Ein Duett von Schauspieler, Schriftsteller und Chansonnier Serge Gainsbourg, damals durften wir noch Frauenheld sagen, und der jungen Jane Birkin. Ein Skandal-Song von 1969, in der Zeit der neuen Aufklärung mit Softpornos wie „Schulmädchen- und Hausfrauen-Report“. Gainsbourg singt: „Wie die ziellose Welle gehe ich, ich gehe und komme zwischen deinen Lenden“. Und Jane Birkin haucht zum Schluss: „Maintenant, viens!“ („Jetzt, komm!“). Dagegen ist die „geile Leyla“ langweilig wie Kartoffelpüree beobachten, der im Thermomix vor sich hin dünstet.
Selbst der Papst hat sich bei „Je t’aime“ noch persönlich eingeschaltet und der Plattenchef wurde exkommuniziert. Übrigens, im Mittelalter hat man schlechte Musik mit den Daumenschrauben einer „Schandflöte“ bestraft, vielleicht gibt es davon in München, Düsseldorf, Würzburg und rund um den Lerchenberg in Mainz noch welche im Museum…
Wir machen eine kleine Paddelpause und ich bleibe an Bord, damit das Kanu nicht kentert. Wir verputzen zwei lasche Käsebrötchen. Unsere Stärkung für die Rückfahrt. Dabei erinnere ich mich an meine Schulstulle mit Tilsiter, die so streng gestunken hat, wie ein Schlafsaal auf einer Berghütte nach einer einwöchigen Alpenüberquerung. Und sie hat mir trotzdem irgendwie besser geschmeckt. Heute haben die Käsesorten tollen Namenkombinationen aus „Land, Grün und Weide“, schmecken aber alle immer gleich langweilig: Hauptsache cremig und nicht stinkend! So lieben es die Deutschen. Fragt doch bitte mal die Franzosen zu unserem Käsegeschmack. Unsere beiden belegten Brötchen to Go haben knapp 6 Euro gekostet. Über das Glück, sich als Jugendlicher mit einem 10-Mark-Schein in der Hand richtig reich zu fühlen, will ich hier gar nicht erst philosophieren.
Einmal mit dem Kanu durch das Regierungsviertel in Berlin paddeln, aber Berlin ist inzwischen unbezahlbar. Da überlasse ich inzwischen, wie Entertainer Harald Schmidt, die Hauptstadt Berlin den woken, jungen, aufbrechenden Menschen. Ich selbst reise gerne auf meinem persönlichen Bummel durch Deutschland in kleinere Kreisstädte und Orte, in denen purer Realismus das Tagesgeschäft bestimmt.
Und wozu eigentlich noch ein Elektroauto anschaffen? Bis ich die reale positive CO2-Bilanz der Karre erreicht habe, liege ich wahrscheinlich schon unter der Erde. Ich gehe zu Fuß durch unser Land, das muss hier reichen und den Rest soll die „Fridays for Future-Generation” hinbekommen. Die schaffen das!
Aber wie heißt es so schön im neuen Habeck-Sprech: „Man muss ja lernfähig bleiben…“
Besuch in der Naturperle Bad Bederkesa
Manchmal ist es Liebe auf den ersten Besuch
Kennt ihr dieses überraschende Glücksgefühl? Im Licht der aufgehenden Sonne am Strand ein Stück Bernstein in den Ostseewellen zu entdecken? Wenn sich beim Wandern hinter einem tiefen, fast grenzenlosen Waldstück, einem Hügel plötzlich ein Ausblick auftut, der die Landschaft vor einem vielfarbig ausbreitet und zum fernen Horizont hin allmählich traumhaft verschwinden lässt. Um dann mit dem Himmel zu zerschmelzen. Manchmal habe ich dann dieses berühmte Gänsehaut-Feeling, von dem die Musiker und Künstler immer berichten.
Bei meinem persönlichen Bummel durch Deutschland entdecke ich immer wieder diese für mich kostbaren „Naturperlen in the Middle of Nowhere“, die mir diesen heiteren und befriedigen Zauber gewähren.
Es gibt eben Orte, die keine gehypten Touri-Hochburgen sind, noch keine eigene TV-Soap-Serie haben, kein kriminalistisches TV-Ermittlerteam der SOKO. Einer dieser Orte habe ich vor kurzem zufällig entdeckt und für mich war es Liebe auf den ersten Besuch. Sorry, Bad Bederkesa, ich habe bisher von dir noch nie etwas gehört, bis es mich auf meinem Weg an die Nordseeküste Richtung Cuxhaven, in diese wundervolle 5733 Seelen-Ortschaft der Stadt Geestland verschlug. Wie in tausenden anderen Gemeinden auch, gibt es hier einen Angelsportverein, einen Schützenverein, einen Reitverein, eine freiwillige Feuerwehr, ein Gymnasium mit einem Rasensportplatz, über dessen Qualität und exzellenten Pflegezustand so mancher Greenkeeper in einem Bundesligaclub staunen würde.
Wie im Norden üblich eine evangelisch-lutherische neogotische Kirche am Marktplatz mitten im Ort und den „Verschönerungsverein Bederkesa von 1896“, der emsig in den Jahren ganze Arbeit geleistet hat. Zwischen Kirche, Kurpark und See präsentiert sich dem Besucher hinter einem himmelanstrebenden Laubwall die mittelalterliche Burganlage. Vor 45 Jahren wurde das dreiflügelige Backsteinschloss vollständig restauriert, es begrüßt seine Besucher immer noch wie aus dem Ei gepellt. Einst war die Burg im Besitz des schwedischen Königshauses und obwohl hier nie ein König residiert hat, strahlt die Burg immer noch königlich und schön. Es ist ein herrlicher Anblick, wenn abends das Sonnenlicht auf den Wassergraben mit seinen blühenden Seerosen und dem kleinen Hang am Fuß des Schlosses trifft und an den roten Backsteinen hochschießt und es wie in leuchtende Gischt taucht, während das anstoßende Gehölz im tiefen Schatten liegt. Im Innenhof, so scheint es, wacht eine türkisfarbene Rolandstatue. Der Ritter mit seinem federgeschmückten Helm erinnert mich an die erste Ritter-WG. Denn laut der freien Enzyklopädie Wikipedia, wohnten hier zeitweise neun verschiedene Familien, Zweige des Rittergeschlechts Bederich und ihre Knappen, gleichzeitig auf der Burg. Was für ein ritterliches Tohuwabohu…
Aber die Burg ist nicht das einzige Highlight bei meinem Besuch der Perle Bad Bederkesa, die durch Moorbad, See und Kurpark anscheinend doch unter einer größeren Fangemeinde von Urlaubern und Campern bekannt ist. Der Pavillon an der Burg ist eine Pilgerstätte zahlreicher Motorradfahrer, die auf scharfe „XXL Chilli-Käse Fritten“ stehen. Eine Rundbrücke für Fußgänger und Fahrräder über den kleinen Kanal zwischen Weser und Unterelbe bringt mich zum See, in dem sich funkelnde Lanzen aus Licht auf dem Wasser brechen. Es sieht so aus, als seien alle Diamanten der Welt hier ausgestreut worden. Im Kanal hinter mir dümpeln moderne Hausboote wie an einer Perlenkette aufgezogen vor sich hin. Die Übernachtung auf so einem Boot kommt auf meine Wandergedanken-Wunschliste. Denn ich möchte die Menschen hier genauer kennenlernen. Das normative Bad Bederkesa habe ich bei meinem Tagesausflug inzwischen kennengelernt. Es beschreibt die Dinge und Vorgänge so, wie sie für den Besucher sein sollten. Nun wünsche ich mir das Gegenstück, das Deskriptive, es sagt mir etwas darüber, wie sich der Ort dem Betrachter tatsächlich darstellt. Aber dafür brauche ich mehr Zeit und Gespräche mit den Menschen die hier leben und arbeiten.
Zum Beispiel Musikproduzent und Komponist Tony Hendrick, mir als Schlagerfan ein geläufiger Name, den ohne seine Songs würde es einen Wolfgang „Wolle“ Petry nicht geben. Weltweiter Erfolg gelang ihm mit dem Eurodance-Hit „What is love“ für den Sänger Haddaway. Auch ein bekannter Politiker mit britischer Staatsbürgerschaft lebt hier, sein Name: David McAllister, zwischen 210 und 2013 niedersächsischer Ministerpräsident.
Am Nachmittag spazierte ich etwa einen Kilometer von der Burg entfernt zu einem anderen Denkmal. Einer reetgedeckten Holländer-Windmühle von 1881 auf einem 31 Meter hohen Geestrücken. Für jeden Müller, der damals nach seinen Lehrjahren Meister werden wollte, war es notwendig, noch einige Wanderjahre abzuleisten. Der Müllergruß ist bis heute noch „Glück zu!“
Noch einmal darf ich zum Ende meines kurzen Aufenthalts in Bad Bederkesa den Ausblick über die Abendlandschaft und den Ort mit Mühle, Burg, Kanal und See genießen und meinen Wandergedanken freien Lauf lassen: Wären solche volksnahen Wanderjahre wie bei den Müllern nicht auch für viele Politiker in Berlin notwendig, bevor sie sich in die Sklaverei ihres Amtes begeben? Mein Vorschlag für den Politikergruß wäre dann „Hör genau zu!“
Im Leben gibt es noch viele Perlen zu entdecken, glaubt mir, ihr müsst sie nur suchen…
EINFACH Im GEIST DIE ERDE VERLASSEN
„Die Vögel verlassen die Erde mit ihren Flügeln. Auch die Menschen können die Erde verlassen, zwar nicht mit Flügeln, aber mit ihrem Geist.“ – Black Elk (Oglala) (1863 – 1950)
Diese Worte vom Medizinmann „Schwarzer Hirsch“ aus dem Buch „Ich rufe mein Volk“, über das Leben, die Visionen und das Vermächtnis des letzten großen Sehers der Ogalalla-Sioux, sind mir auf vielen meiner Wanderungen präsent. Nein, ich bin kein Hobby-Ornithologe, aber wenn ich über meinem Kopf die Vögel am Himmel lautlos schweben sehe, dann fliege ich in meinem Geist an ihrer Seite.
Natürlich habe auch ich als Kind das Buch der Schwedin Selma Lagerlöf gelesen. Der ersten Frau, die mit einem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Mit Märchen, Sagen und fabelhaften Beschreibungen hat mir „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson“ das schwedische Lebensgefühl für immer in mein Herz gebrannt. Und das nicht erst seit dem Song „Sommer in Schweden“ von der Band Revolverheld.
Die Welt auf meinen Wanderungen aus der Vogelperspektive sehen, nie habe ich gedacht, das mir das im Alter noch einmal möglich ist. Nicht in den wenigen Sekunden beim Start oder der Landung in einem Flugzeug. Ein kleiner Plastikflieger mit elektronischer Kamera hat für mich das Fliegen im Geist für wenige Augenblicke real gemacht.
Dann fühle ich mich wie ein Roter Milan, ein geselliger Greifvogel, der keinerlei territoriales Verhalten aufweist, außer jemand ist seinem Horst zu nahegekommen. Ich schwebe dahin über grüne Felder, über Bäche, Flüsse und Wälder und muss ständig auf die sich mit riesigen Rotorblättern drehenden Windräder aufpassen, um meine Gesundheit nicht zu gefährden.
So ein plötzlicher Perspektivwechsel zeigt mir auf, wie klein und unbedeutend wir Menschen da unten doch sind. Wir sind nicht mehr der Mittelpunkt der Erde, um den sich alles dreht und der eitel und oftmals auch narzisstisch seine Meinung als die einzig wahre gelten lässt. Die Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung der Menschen ist für mich in den letzten Jahren in eine neue Dimension gesprungen. Und das lese ich nicht nur an den Äußerungen von sogenannten Social-Media Stars und Influencer ab. Auch viele Politiker sind inzwischen lieber Talk-Show-Dauer-Stars als begabte Rhetoriker oder exzellente Redner im Deutschen Bundestag.
Zurück zum Wichtigsten – die Natur. Auch da fällt mir zu meinen hier beschriebenen Wandergedanken ein Zitat von Black Elk („Schwarzer Hirsch“) ein:
„Die Natur ist ewig, nicht umgekehrt, sie erhält sich von selbst. Wozu sie einmal veranlaßt ist, das bringt sie nach Gesetzen der Trägheit immerfort hervor. Im Geiste ist der Grund der Vergänglichkeit zu suchen…“
Ich habe beschlossen irgendwann mal rund um Hattorf am Harz im Landkreis Göttingen zu wandern. Ihr fragt euch warum? Die Gemeinde hat einen Roten Milan als Wappentier. Ich werde euch darüber berichten…